Atemtherapie, wie sie in den Schulen innerhalb der 1958 gegründeten AFA (Arbeits- und Forschungsgemeinschaft für Atempflege) vertreten wird, hat in Europa eine relativ junge Tradition.
Schaut man aber in die asiatischen Kulturen, stellt man fest, dass dort die Beschäftigung mit dem Atem in spiritueller und gesundheitsprophylaktischer Hinsicht eine über 2000 jährige Geschichte hat. Die Achtsamkeit auf den Atem in buddhistischer Meditationspraxis, der freie Atemfluss in den taoistischen Bewegungsübungen des Tai Chi und Chi Gong sowie die Kontrolle und Lenkung des Atems im indischen Yoga sind seit langem geübte Praktiken.
Aber auch in der westlichen Tradition gibt es dieses alte Wissen um den Atem. So bedeutet der mitteldeutsche Begriff Odem sowohl Atem als auch Seele, wie auch der griechische Begriff Pneuma Hauch und Seele gleichzeitig meint.
Durch den Siegeszug der naturwissenschaftlichen Denkweise mit der einhergehenden Trennung von Körper und Seele/Geist, die im Westen häufig zu einer mechanistischen Medizin und einer körperfernen Psychologie geführt hatte, wurde dieses alte ganzheitliche Wissen um den Atem für lange Zeit vergessen.
Die Ursprünge der modernen, westlichen Atemtherapie gehen auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Hier waren die Pioniere meistens Frauen, die außerhalb des medizi-nischen, psychologischen und wissenschaftlichen Mainstreams einen anderen Zugang zu ihrem Körper, ihren Gefühlen und ihrem Atem suchten.
Es gibt im wesentliche 3 historische Wurzeln der modernen Atemtherapie:
1.) Die Beschäftigung mit Gesang, Stimme und Musik führte bei einigen Lehrerinnen zu einer intensiven Hinwendung zu ihrem Atem, wodurch sie diverse Probleme mit ihrer eigenen Stimme lösen konnten (Schule Schlaffhorst-Andersen z. B.).
2.) Viele Frauen rebellierten in den 20er Jahren im Rahmen der Lebensreform-bewegungen gegen ein mechanistisches und funktionelles Körperverständnis. Sie entwickelten eine spürsame und sanfte Gymnastik mit dem Fokus auf Atem, Stimme und Bewegung (Lilly Ehrenfried, Elsa Gindler, Hedwig Kallmeyer und viele mehr).
3.) Seit den 20er Jahren gab es enge persönliche und professionelle Kontakte zwischen einer Psychoanalyse, die sich der Einbeziehung des Körpers und des Atems in ihre Praxis öffnete und einigen Protagonisten/Innen der Leib- und Atemarbeit. So bestand z. B. eine enge Verbindung zwischen dem bedeutendem Atemlehrer Cornelis Veening und einem Pionier einer körper- und atembezogenen ‘Seelenheilkunde’, dem Psychotherapeuten, G. R. Heyer. Diese Verbindung wurde Programm in Veenings “atempsychologischen” Weg.